Ohne Waffen gegen die Nazi-Diktatur
"Gegen die Nazis hilft kein Pazifismus" so oder ähnlich wird häufig argumentiert. Eine Arbeitsgruppe der DFG-VK Bayern hat historische Beispiel des gewaltfreien Widerstands und aktuelle Argumente für Pazifismus zusammengetragen. Daraus ist das Faltblatt und die nachfolgende Text- und Materialsammlung entstanden.
Bearbeitung: Thomas Rödl M.A., Geschäftsführer des HMV- Bildungswerkes.
Immer wieder wird der Krieg gegen Nazi- Deutschland als Beispiel eines gerechten Krieges dargestellt. Wie hätten PazifistInnen ohne Militär die Nazi-Diktatur beseitigen wollen?
(vgl. Abschnitt: Nie wieder Krieg)
Das Argument „Gegen Hitler hats Militär gebraucht“ ist ein Standardargument gegen den Pazifismus. Es kam verstärkt in die Diskussion, als Deutschland nach der Wiedervereinigung die Bundeswehr wieder für die Durchsetzung von politischen und wirtschaftlichen Interessen einsetzen wollte. Es wird auch benutzt von PolitikerInnen, die unter dem Deckmantel eines „Krieges gegen den Terror“ ihre imperialen Interessen durchsetzen wollen. Die historische Tatsache, dass das nationalsozialistische Deutschland militärisch besiegt wurde, ist natürlich kein Einwand gegen eine Politik der Rüstungskontrolle, der Abrüstung, der gemeinsamen Sicherheit.
Politischer Pazifismus will jeden Krieg verhindern durch Abrüstung, friedliche Beilegung von Streitigkeiten und zivile Konfliktbearbeitung
Politischer Pazifismus - kurze Vorstellung
Schritte zur Abrüstung - gewaltfrei handeln. Konzept des Pazifismus in 16 Schaubildern
Faltblatt „Ohne Waffen gegen die Nazi- Diktatur“, Leporello 6-tlg
http://www.h-m-v-bildungswerk.de/pdf/Ohne-Waffen-gegen-ND-2A-web.pdf
hier zum Lesen im Zusammenhang; zu bestellen in größeren Mengen DFG-VK München,
E- mail: muenchen@dfg-vk.de ; oder über den webshop der DFG-VK : https://shop.dfg-vk.de/Flyer/2/
Das Faltblatt eignet sich zum Auslegen und Weitergeben.
Arbeitsmaterial
„Ohne Waffen gegen die Nazi- Diktatur“, Material DinA4, zum Ausdrucken und kopieren
2018 ergänzt mit weiteren Quellenangaben und mit aktiven links zu Quellen und Beiträgen im Internet.
Mit Militär gegen die Nazis
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am 6. 6. 2004, dem Jahrestag der Invasion der alliierten Streitkräfte in der Normandie: „Zum Sturz der Hitler- Diktatur brauchte es Patrioten und Soldaten. Weil wir Deutsche das wissen, sind wir keine Pazifisten. „Wir sind aber auch nicht leichthin bereit, zu militärischen Mitteln zu greifen“ „Wo militärisches Eingreifen jedoch nötig war und ist, entzieht sich Deutschland seiner Verantwortung für Frieden und Menschenrechte nicht“ (1)
Zur Rechtfertigung des Krieges der NATO gegen Jugoslawien sagte der damalige deutsche Außenminister Joseph Fischer:
„Wenn der Faschismus wieder sein Haupt erhebt, dann können wir nicht wegsehen“
Frage an Hans Jochen Vogel (SPD- Politiker im Ruhestand): Sind Sie eigentlich prinzipiell gegen jeden Krieg?
„Gegen generellen Pazifismus spricht meine Lebenserfahrung mit dem NS-Gewaltregime. Ich werde es den Amerikanern nicht vergessen, dass sie sich an unserer Befreiung beteiligt ... haben.“
Der ehemalige US-Präsident Barack Obama sagte in seiner Rede beim Erhalt des Friedensnobelpreises
2009: „Täuschen Sie sich nicht: Es gibt das Böse auf der Welt. Eine Armee der Gewaltlosen hätte Hitlers Streitkräfte nicht aufgehalten.“ (2)
Immer wieder wird der Krieg gegen die NS- Diktatur mit seinem unsagbaren Leid und seinen vielen Millionen Todesopfern als Beispiel für einen unumgänglichen, „gerechten“ Krieg angeführt. Wie kann ein solcher Krieg in Zukunft verhindert werden?
Kein Hitler ohne Militär!
Immer wieder werden wir gefragt: Wie hättet ihr Pazifisten denn ohne Militär Hitlers Macht brechen wollen? Darauf haben wir eine klare Antwort: Wir hätten ihn gar nicht erst an die Macht gebracht! Hitlers Aufstieg und seine Gewaltherrschaft wären ohne die Unterstützung der durch die deutschen Eliten, der Reichswehr und ohne paramilitärische Organisationen wie SA und SS undenkbar gewesen.
Pazifistische Intellektuelle wie Kurt Tucholsky oder Carl von Ossietzky, erkannten die von den Nazis ausgehende Gefahr bereits in den 20er Jahren. Die Deutsche Friedensgesellschaft warnte: Stahlhelm und Hakenkreuz sind Deutschlands Untergang!
Zu diesem Zeitpunkt hätte man keinen Krieg und keine bewaffneten Kräfte gebraucht um sich von Hitler und seiner menschenverachtenden Ideologie zu befreien. Man hätte ihn nur nicht zu wählen brauchen!
Eine Reihe von Faktoren haben die nationalsozialistische Partei an die Macht gebracht: Die Folgen des ersten Weltkrieges, die Militarisierung der politischen Kämpfe, der weit verbreitete Revanchegedanke, die Massenarbeitslosigkeit, die Ablehnung des parlamentarischen Systems durch Teile der Bevölkerung, das Versprechen von Frieden und Wohlstand, die massive Propaganda mit Hilfe der modernen Medien, die Judentum und Bolschewismus als Ursache des sozialen Elends darstellten.
Politischer Widerstand vor 1933 hätte die Nazis verhindern müssen. Das ist nicht gelungen- weil es zu wenig PazifistInnen in Deutschland gab! Und zu viele Judenhasser, Nationalisten und Militaristen
Hitler versicherte der Reichswehrführung bereits am 3. Februar 1933, nur vier Tage nach seinem Amtsantritt, in Deutschland werde es keine Pazifisten mehr geben. (nach Artikel Krusewitz)
Das Terrorregime der Nazis konnte nur funktionieren, weil die Mehrheit der Deutschen sich dem militärischen System von Befehl und Gehorsam unterwarf.
Millionen von Soldaten der deutschen Wehrmacht kämpften für die Kriegsziele der Nazis, nur einige Zehntausende desertierten.
Adolf Hitler:
Ein Soldat kann sterben, ein Deserteur muß sterben!
Hitler wurde von der Propagandaabteilung der Reichswehr als Spitzel (V-Mann) zu politischen Versammlungen geschickt. Auf diese Weise kam er zur DAP (Deutsche Arbeiterpartei). Mehr...
Appeasement ist kein Pazifismus
„Ohne den Pazifismus der 30er Jahre wäre Auschwitz überhaupt nicht möglich gewesen.“ So der damalige CDU- Generalsekretär Heiner Geißler im Juni 1983 im Deutschen Bundestag. (4)
Dieser häufig formulierte Vorwurf bezieht sich auf den Versuch der Regierungen Englands und Frankreichs, sich mit den Gebietsansprüchen des deutschen Reiches zu arrangieren. Seinen formellen Ausdruck fand diese Politik im „Münchner Abkommen“ von 1938. Durch Zustimmung zur Annexion der Sudetendeutschen Gebiete durch Deutschland glaubten sie, einen Krieg vermeiden zu können.
Der italienische Diktator Mussolini unterzeichnet das Münchner Abkommen
Vor allem die englische Regierung versuchte angesichts schwindender politischer und wirtschaftlicher Macht, das angeschlagene British Empire auf diese Weise zusammenzuhalten. Mit Pazifismus hatte diese Regierung nichts im Sinn. Das Nichtangriffsabkommen zwischen dem deutschen Reich und der Sowjetunion von 1939 („Hitler-Stalin-Pakt“) ist ebenfalls kein Ausdruck von pazifistischer Politik. Der Diktator Stalin spekulierte auf einen Krieg zwischen den „kapitalistischen“ Staaten und auf Machterweiterung in Osteuropa.
Die These, der Pazifismus habe die nationalsozialistische Kriegspolitik ermöglicht, kommt meist aus denselben rechts-konservativen Parteien, die mit Hitler seinerzeit koaliert und ihn regierungsfähig gemacht haben. Sie haben dem Diktator damals zur Macht verholfen, und benutzen heute seinen gewaltsamen Sturz als Rechtfertigung für die Fortsetzung militärischer Machtpolitik.
Es gab im Vorfeld des 2. Weltkrieges keine pazifistische Politik zur Verhinderung oder Eindämmung des Faschismus. Die Geschichte lässt deshalb keine Schlussfolgerungen über die Chancen pazifistischer Konzepte zu. (5)
(4) http://www.quotez.net/german/pazifismus.htm
(5) So Jacques Semelin: Ohne Waffen gegen Hitler.
dipa- Verlag, Frankfurt/ M. 1995., ISBN 3-7638-0324-6